Transparenz und Effizienz

Der Verkehrspolitik der Spatenstiche und der Versprechungen setzt die neue Landesregierung bekanntlich eine realitätsnahe Planung entgegen. Dazu hat sie verschiedene Einzelmaßnahmen in drei separate Körbe aufgenommen und Kriterien entwickelt, nach denen diese Projekte geprüft werden. 160 Projekte sind das derzeit in Baden-Württemberg. Da der Verkehrsbereich bereits jahrelang bundseitig unterfinanziert ist, ist es unredlich, durch‘s Land zu reisen und allen alles zu versprechen.

Man wolle kein „Märchenbuch“ verfassen, so Hermann. Es müssten in Anbetracht der kargen finanziellen Mittel Prioritäten gesetzt und die Projekte überprüft werden. So entstehe quasi eine „Hitparade der Dringlichkeit“. Insgesamt stehe aber Erhalt vor Neubau. Der Reparatur- und Investitionsstau sei immens. Das sei das Erbe der Vorgängerregierung und einer verfehlten Bundespolitik. Ebenso müssten sich alle Beteiligten fragen, was man sich leisten wolle und könne.

Zum ersten Mal beteiligt eine Landesregierung Betroffene, Kommunen, Kreise, Regierungspräsidien und Verbände an der Planung: Welche Straßenbauprojekte sollen nach Berlin gemeldet werden? Welche in den vordringlichen Bedarf usw.? Welche überhaupt aufgenommen werden?

In vier Regionalkonferenzen in jedem Regierungsbezirk und einer zweimonatigen Verbandsanhörung können nun alle Beteiligten zu Wort kommen, den Entscheidungsprozess transparent und effizient verfolgen und mitgestalten. Am 18.4. war es in Tübingen so weit.

Bis September 2013 soll dieser Prozess der Priorisierung abgeschlossen sein und dem Bund die priorisierte Liste gemeldet werden. Denn letztlich entscheide der Bund, so Hermann, welchen Vorschlägen er folgen wolle. Minister Hermann erläuterte in seiner Präsentation die Vorschlagsliste des Landes, die Auswahlkriterien, die finanziellen Rahmenbedingungen und die aktuelle Situation. Er begrüßte das große Interesse am Mitgestalten, forderte die Anwesenden auf, sich auch weiter einzubringen und sagte eine sorgfältige Prüfung von Einzelmaßnahmen, ggf. Korrektur oder Ergänzung zu. Es müsse aber auch klar sein, dass nicht jede Maßnahme, jeder Wunsch bei der desolaten Finanzlage erfüllt werden könne.

Bereits in seiner Begrüßung hatte Regierungspräsident Stampfer zu Beginn das Vorgehen der grün-roten Landesregierung begrüßt und erläutert, dass das Regierungspräsidium Tübingen in Sachen Straßenbau Nachholbedarf habe und sich nicht abhängen lassen dürfe. Besonders der ländliche Raum dürfe nicht zu kurz kommen. Zur Aufbesserung der finanziellen Mittel forderte er eine zweckgebundene Maut. Die ebenfalls anwesenden Automobilclub Vertreter (ACE, ADAC) forderte er auf, ihre Position diesbezüglich zu überdenken. Der Vertreter von Städte- und Gemeindetag unterstützte diese Position, mahnte aber eindringlich eine bedingungslose Zweckgebundenheit an und warnte u.a. bei der Mautdebatte: Bundesstraßen dürften nicht Autobahnfunktion übernehmen.

Minister Hermann sprach sich bei der Maut für eine „intelligente, verkehrslenkende“ Beteiligung aus, das müsse man jeweils genau prüfen und entwickeln.

Der Vertreter des Landkreistages unterstützte die Politik der Landesregierung „Erhalt vor Ausbau“, gab aber zu bedenken, dass es manchmal sinnvoller sei, neu zu bauen, als ständig zu flicken. Das müsse bei der Priorisierung berücksichtig werden. Die Fläche dürfe nicht benachteiligt, Lücken müssten geschlossen und da, wo Planungsrecht bestehe, müsse gebaut werden. Wie auch im Anschluss die IHK, favorisierte der Landkreistag die Einführung einer Vignette. Der IHK-Vertreter schlug eine Vignette von € 114.-/Jahr vor. Er forderte zudem, bei den Projekten müsse in Einzelfällen nachgearbeitet werden und die Ost-West-Achse im Regierungsbezirk ausgebaut werden. Alle Verbandsvertreter unterstützten das offene und transparente Vorgehen der Landesregierung bzw. des Verkehrsministeriums. Minister Hermann kommentierte die Stellungnahmen der Verbandsvertreter jeweils im Anschluss. Je nach Ausführungen wurden die Ausführungen der Redner auf dem Podium, übrigens nur Männer, von Trillerpfeifen, Applaus oder Buhrufen lautstark begleitet.

BUND und VCD  drückten in ihren Stellungnahmen die Sorge aus, dass zu viel Geld für den Ausbau von Straßen ausgegeben werde und gaben zu bedenken, dass jeder Neubau ein Eingriff in die Landschaft und deren Zerschneidung bedeute. Man solle den Bürger mit einem gut ausgebauten ÖPNV entlasten und darauf achten, dass keine Straßen parallel zu existierenden Bahnlinien gebaut werden. Vorhandene Infrastruktur müsse man zum Nutzen der Menschen verbessern.

Minister Hermann signalisierte Verständnis, machte aber gleichwohl deutlich, dass hier die Stadt-Land-Problematik eine wichtige Rolle spiele. Die Mobilität in der Stadt, mit ausgebautem öffentlichem Nahverkehr, sei eine andere, als auf dem Land.

DerAutomobilclub Europa (ACE) ist von einer Maut nicht überzeugt, der teils marode Zustand von Straßen und Brücken sei „Folge verfehlter und unterfinanzierter Verkehrspolitik“, man brauche einen „Mobilitätsplan“ und müsse neue Wege gehen. Im Übrigen sei der Bundesverkehrswegeplan kein Wunschkonzert.

Der ADAC begrüßte im Grundsatz der vorgelegten Projektplan und die Einbeziehung der Bürger. Bundes- und Landeskriterien seien aber nicht gleich. Man müsse viel mehr Projekte anmelden als die 160. Orientierung sei da Bayern, das bis zu 500 Projekte anmelde, in der Hoffnung, dass dann schon irgendwo was rauskommt. Man sei bekanntermaßen gegen jede Art von Maut. Der Autofahrer werde bereits genug belastet. Außerdem sei man im ländlichen Raum viel stärker auf das Auto angewiesen und deshalb bei Mautzahlung benachteiligt.

Nachdem alle Verbandsvertreter Stellung genommen hatten, war Zeit für kommunale und BI-Vertreter ihre Projekte und Stellungnahmen abzugeben, von starkem Beifall der jeweils mitgereisten Bürgerinnen und Bürger begleitet.

Nach einer bewirteten Pause, die für Vorschläge, Bewertungen und Stellungnahmen an Projektwänden genutzt werden konnte, folgte eine Aussprache, in der Verkehrsministerium und Regierungspräsidium zu einzelnen Diskussionsbeiträgen aus der Zuhörerschaft Stellung nahmen.

Ausführliche Informationen zum BVWP-Konzept des Bundes, zum Landeskonzept, zu den Priorisierungskriterien und zum Maßnahmenpool finden Sie unter

www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/115847

Bericht: Bernd Zander
Grüne, Bad Waldsee
Fotos: MVI