Windkraft und St. Peter

Braunkohletagebau Hambach, Johannes Fasolt,wikipedia

Als Jugendlicher im westfälischen, überwiegend katholischen Sauerland der 60er Jahre heranwachsend war es nicht nur für mich völlig normal, dass an Wahlsonntagen die Geistlichkeit von der Kanzel herab Wahlempfehlungen in ihre Predigten einbaute. Allein meine SPD nahen Eltern haben sich immer aufgeregt. Diese Empfehlungen waren in den aktuellen Predigttext eingearbeitet, Brücken bauend meistens ausgehend vom sonntäglichen Predigttext hin zur anstehenden Wahl oder andersherum. Egal wie, die Partei mit dem „C“ war immer der Kern der Predigt-Empfehlung.

Daran musste ich denken, als ich den Kirchenanzeiger Nr. 20, eingelegt ins Amtsblatt, kürzlich in den Händen hielt: Kirchturmpolitik im wahrsten Wortsinne.

Pfarrer Stefan Werner hat an die „Lieben Gemeindemitglieder, die lieben Bürgerinnen und Bürger und lieben Gäste“ Worte zu Pfingsten gerichtet. Überschrift „Windkraft gefährdet“, illustriert mit einer Bildmontage der Windkraftgegner: St. Peter und Rathaus ganz klein, eine Windkraftanlage übermächtig groß.

Es bedarf schon einiger theologischer Verrenkungen und Mühen, um von der Auseinandersetzung in der Stadt um die Windkraftanlagen den Bogen zum Heiligen Geist zu schlagen. Aber, Pfarrer Werner schafft das.

Theologie und Politik

Nun ist es ja in der heutigen Zeit legitimes Anliegen der Kirchen, sich zu gesellschaftlichen Themen zu äußern. Die Frage darf aber gestellt werden, welchem Ziel diese Kommentierung dienen soll.

Dient sie der sachlichen Auseinandersetzung, bringt sie den Diskurs voran? Gibt sie Anstöße, bietet sie Raum für Lösungsansätze? Lädt sie gar zu einem interessanten Dialog „Bewahrung der Schöpfung heute“ oder „Kirche und Klimaschutz“ ein?

Oder inszeniert sie Ängste, Emotionen? Führt Pfarrer Werner seine Schäfchen gar, theologisch verkleidet, in die Arme der Windkraftgegner?

Lokale Energiewende sollte nun keine dogmatische Glaubensfrage sein.

Überschrift und Foto im Kirchenanzeiger sprechen allerdings suggestiv eine eigene Sprache: Lebensraumzerstörung wegen alternativer Energiegewinnung? Nein! Eine klare Ansage.

Ja, wie, Herr Pfarrer? Braunkohlegewinnung und Zerstörung ganzer Landstriche, Atomkraftwerke und ihr strahlender Abfall, Erdgas- und Erdölförderung sind ok, weil weit weg? Was sagen Sie den Leuten, die ihre Dörfer, ihre Heimat wegen des Tagebaus verlassen müssen; was sagen Sie den Bewohnern rings um die Bröckelreaktoren Tihange 2 oder Fessenheim? Vielleicht: Habt Ihr Pech gehabt, liebe Leute. Müsst Ihr halt wegziehen? Selber schuld? Wohin mit dem Atommüll? Zu uns nicht?

Auch diese Menschen wünschen sich unzerstörten Lebensraum.

Kirche und Klimaschutz

Es ist doch sehr fragwürdig, Jesus, den Heiligen Geist und die „Windkraft Gottes“ zu instrumentalisieren, um sich gegen die geplanten Windkraftanlagen im Tannenbühl zu positionieren. Ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten, wie es Papst Franziskus 2015 in seiner Umweltenzyklika „Laudato si“ fordert, das wäre angebracht und spannend. Der Papst lädt nämlich zu einem Dialog ein, wie wir unseren Planeten gestalten wollen und fährt u.a. im Punkt 26 fort: „Darum ist es dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man die Verbrennung von fossilem Kraftstoff ersetzt und Quelle erneuerbarer Energie entwickelt. Weltweit sind saubere und erneuerbare Energien nur in geringem Maß erschlossen … “ Wer wollte bestreiten, dass die Windkraft schon jetzt ein gewichtiger Teil dieser erneuerbaren Energien ist?

Und im Punkt 61 rät er uns und Ihnen u.a.:

„In Bezug auf viele konkrete Fragen ist es nicht Sache der Kirche, endgültige Vorschläge zu unterbreiten, und sie versteht, dass sie zuhören und die ehrliche Debatte zwischen den Wissenschaftlern fördern muss, indem sie die Unterschiedlichkeit der Meinungen respektiert“.

Interessant nebenbei: Papst Franziskus hat die Enzyklika im Juni 2015 gemeinsam mit dem Chef des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Schellnhuber, vorgestellt.

Ein erneutes Studium der Enzyklika wäre aktuell empfehlenswert. Der Papst ist da weiter als der Artikel im „Kirchenanzeiger der kath. Seelsorgeeinheit Bad Waldsee“.

Die 60iger Jahre im Sauerland sind zum Glück Geschichte. Oder doch nicht überall?

Bernd Zander

Stadtrat Bündnis 90/Die Grünen

15.6.2017