Haushaltsrede 2024

Haushaltsrede der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreistag Ravensburg zur Haushaltssatzung 2024

Sehr geehrter Herr Landrat Sievers, sehr geehrter Herr Dr. Honikel-Günther, liebe Kolleg*innen aus dem Verwaltungsvorstand, sehr geehrte Mitarbeiter*innen des Landratsamts, werte Kreisrätinnen und Kreisräte, liebe Gäste und Zuhörer*innen, liebe Mitbürger*innen im Landkreis Ravensburg,

es lohnt immer, vor einem größeren Redebeitrag einen Blick zurück zu werfen, sozusagen in der Vergangenheit anzuknüpfen, bevor man sich der Gegenwart und der Zukunft widmet. Vor gut einem Jahr war mir hier der Begriff Zusammenhalt, begleitet von Zuversicht, wichtig. Was ist aus dem Zusammenhalt geworden?

Ich höre Ihnen, lieber Herr Sievers, immer sehr genau zu und daher ist mir nicht entgangen, übrigens anderen Fraktionskolleg*innen von uns Grünen und fraktionsübergreifend auch nicht, dass Ihre Einbringung des Haushalts 2024 am 5. Dezember sich nur ganz wenig mit dem hiesigen Kreishaushalt, dafür ganz stark mit den Problemen übergeordneter politischer Ebenen befasste. Dass Sie für Ihre vorrangig kritischen Worte an Landes- und Bundespolitik Beifall ganz überwiegend aus nur einer Hälfte des Saals bekamen, habe ich in meinem persönlichen Protokoll Ihrer Rede mehrfach vermerkt. Es hat andere und mich ziemlich irritiert, klang wenig nach Zusammenhalt, ganz stark aber nach Schuldzuweisung nach oben und vielleicht auch ein bisschen nach Wahlkampf. Haben wir den jetzt schon im angeblichen „Superwahljahr 2024“? Übrigens weiß ich schon gar nicht mehr, wie viele „Superwahljahre“ ich schon erlebt habe!? 

Dann aber kam ein Satz von Ihnen, Herr Sievers, den ich mir eigens wörtlich protokolliert habe, der mich also massiv aufhorchen ließ: „Ein Staat, in dem ein Rechtsanspruch nicht mehr einlösbar ist, wird eine Bananenrepublik.“ So weit also ist es schon mit unserem Gemeinwesen gekommen, dass ein äußerst seriöser und integrer Spitzenvertreter einer Verwaltungsbehörde mit dem Wort „Bananenrepublik“, für mich der Inbegriff für korrupte und pur egoistisch geprägte Gemeinwesen, unsere Zukunft umreißen muss. Zum Glück versäumten Sie es nicht, anschließend unser aller Verantwortung für das sich zum Schlechten hin ändernde Klima – es hatte gerade ungewöhnlich viel geschneit im Schussental – in klaren Worten zu zitieren, und vor allem auf den von vielen wenig geschätzten Kausalzusammenhang zwischen unserem Wohlstand und den negativen Folgen der Klimaveränderung hinzuweisen. Plötzlich sind wir also doch wieder hier in der Region zum Handeln aufgerufen, und also hier im Saal, gut so, dachte ich.         

Wer also sind nun die „Hauptschuldigen“ an unserer gegenwärtigen Misere? Zwei Schlagworte geistern durch die Debatten, auch hier in allen Gremiensitzungen, die, wenn man sie nur ordentlich bekämpft, angeblich alles zum Guten richten: Bürokratisierung und mangelnde Digitalisierung. Geht man die Schlagworte allerdings einen Schritt differenzierter an, so müssten wir Verantwortung bei uns selbst wiedererkennen: unsere heutige Bürokratie haben wir über viele Jahrzehnte gemeinsam aufgebaut, wir Politiker*innen mit unserer enormen Neigung, über Kompromisse und Ausnahmeregelungen alle als ursprünglich notwendig erkannten Maßnahmen immer subtiler doch noch für alle Betroffenen auszubalancieren und ihnen so gerecht zu werden, flankiert von einer blühenden und lobbybefeuerten juristischen „Streitindustrie“, gegen die dann nur immer noch mehr bürokratisches Regeln hilft. Eigentlich betroffen von einem Bürokratieabbau wären außerdem zahllose Arbeitsplätze, die entweder gleich wegfielen oder eine ganz anders geartete Jobbeschreibung erhalten müssten. Wollen wir das und schaffen wir das, so möchte ich in die Runde hinein fragen?

Nicht viel anders das Thema Digitalisierung: soweit damit anwendungsbezogen eine Vereinfachung und also Beschleunigung bürokratischer Vorgänge gemeint ist, für die Formulare nur noch digital hin- und herwandern, können wir Grüne diesen Entwicklungen viel abgewinnen. Schön ist es, wenn mehr- oder vielstufige Projekte auf ihrem gesamten Weg stets am jeweiligen Wegpunkt digital pausieren und wieder aufgerufen werden können, um „weitergestrickt“ zu werden, komplexe Vorgänge in Wirtschaft und Verwaltung können damit massiv erleichtert werden.

Schwierig, wenn nicht gar eine Überforderung für unsere begrenzte Aufnahme – und Umsetzungsfähigkeit, finde ich dagegen, wenn unter Digitalisierung nur eine immer noch schnellere Datenübermittlung mit immer noch mehr Input und Output häufig reichlich unnötiger und unwichtiger Nachrichten und Daten gemeint ist. Dieser Teil der Digitalisierung bringt nichts, ist kontraproduktiv und lenkt uns nur ab vom Wesentlichen, bei der Arbeit und verrückterweise auch in der Freizeit, die vor lauter Nachrichten so „frei“ gar nicht mehr ist. Unseren inzwischen schon ausgeprägten Glauben, zum Glück helfe unseren überforderten Gehirnen da die bereits davon galoppierende Künstliche Intelligenz, kurz KI, auf die Sprünge, halte ich für naiv, wenn nicht gar für gefährlich.

Was aber ist die Folge von zu viel und zu unverdaulichem Nachrichtenkonsum? Die uns eigentlich innewohnende und uns ausbalancierende Gelassenheit geht verloren, das Gegenteil, innere und äußere Aufgeregtheit nehmen zu. Hervorragend zu beobachten ist das seit ein paar Monaten im politischen, im öffentlichen Raum. Befeuert von interessierter Politik und Medien empfinden sich immer mehr Menschen als „Verlierer“. Diese artikulieren ihre Emotion sehr laut, ohne das Ende zu bedenken, bei dem dann alle ohne Rücksicht auf das Ganze die schmäler werdenden Ressourcen vor allem für sich und ihre betroffene Klientel reklamieren. Übrigens, „looser“ zu sein, ist schon in der Schule, ja gar im Kindergarten ein schreckliches Schimpfwort. Fazit: Zusammenhalt ist in unserer Demokratie gefragt, mehr denn je, und nicht ein wildes übereinander Herfallen!  

Zurück zum Kern unserer Debatte, zu den Finanzen: unsere aktuelle Situation hier im Landkreis erinnert mich an eine berühmte Geschichte, man findet sie in der Bibel im Evangelium des Johannes im zweiten Kapitel. Recherchiert man bei Wikipedia –  diese kleine digitale Zuhilfenahme sei mir bei aller formulierter Kulturkritik erlaubt – , so taucht dort der Begriff „Luxuswunder“ auf, der noch treffsicherer ist. Es geht um die bekannte „Hochzeit zu Kana“ und die Verwandlung von Wasser in Wein am Ende eines rauschenden Hochzeitsfestes, nachdem der Wein ausgegangen ist. Ja, der Wein, sprich das Geld, ist uns ausgegangen, und zwar sehr schlagartig, nachdem wir viele Jahre aus dem Vollen schöpfen konnten und uns teilweise euphorisch und euphorisiert auf die Schulter klopfen konnten. Kleine Randnotiz: vergangenen Montag tauchte auch im Wangener Gemeinderat das Bild einer Großen Hochzeit auf, die wir jetzt bald fast ein halbes Jahr lang feiern dürfen, unsere Landesgartenschau. Hoffentlich geht uns auch da der Wein nicht aus, denn das Regierungspräsidium Tübingen erinnerte uns in seinem Haushaltserlass in deutlichen Worten bereits an das Ende des Festes und die Frage, was danach (finanztechnisch) bleibt.

Schauen wir also auf den Knackpunkt, das „Ausgehen des Weins vulgo des Geldes“. Ich unterscheide zwischen den „großen Linien“, den „wichtigen Kleinigkeiten“ und den „Impulsen für die Zukunft“ und nehme hierzu für die Grüne Fraktion Stellung. Zu Beginn zitiere ich wieder Sie, Herr Landrat, mit Ihren Worten aus der Haushaltseinbringung: “Es gibt aktuell keine Anzeichen für eine echte Krise der kommunalen Finanzen.“ Ihr Satz hat mich gefreut und auch ein bisschen beruhigt, um im Vergleich zu bleiben, in der „Hochzeit zu Kana“ verwandelt Jesus das Wasser zu Wein, sonderlich begeistert tut er es aber ausweislich der Bibel nicht, so als wisse er bereits, dass das den Feiernden nicht wirklich guttut.      

Unsere größte Baustelle, da gibt es nichts zu deuteln, ist die Oberschwabenklinik OSK. Verluste in einem jährlichen Umfang von ca. 30 Mio. €, begleitet von immer wieder kehrenden Liquiditätsproblemen, sind aktuell verantwortlich für unsere finanziellen Probleme hier im Hause und natürlich auf Dauer nicht tragbar. Was hilft? Ein Verkaufen oder ein Abgeben, an wen auch immer, macht die Gesundheitsversorgung für die Menschen in unserem Landkreis mit Sicherheit nicht besser, warum auch? Für uns GRÜNE kommt dies nicht in Frage. Ich formuliere positiv: wir sind überzeugt von der Arbeit der jetzigen Geschäftsführung, von Geschäftsführer Herrn Huber und seinem Team, Prof. Rentsch, Herrn Wendt und Herrn Hornstein. Sie haben es geschafft, im Personal wieder ein gedeihliches Miteinander entstehen zu lassen und zu pflegen, dafür unser ausdrücklicher Dank. Und wenn dieses Team eine Altlast aus der alten Geschäftsführung in Form eines nicht befriedigend ausformulierten Vertrags angeht, der die OSK finanziell schwächt, so ist dies absolut wichtig und notwendig. Solch ein Vorgang   des operativen Geschäfts hat allerdings nichts in der Öffentlichkeit verloren, wer auch immer dies lustvoll betreibt, denn es schadet der OSK und damit dem Landkreis.

Wir GRÜNE begrüßen es, wenn eine öffentlich getragene Klinik sich in Partnerschaften Rahmenbedingungen sucht, die den Erhalt des öffentlichen Versorgungsauftrags finanziell verantwortbar machen. Wir begrüßen es nicht, wenn solche Vorgänge in medialer Aufgeregtheit zum Schaden unseres Klinikverbunds tendenziös breitgetreten werden. Insoweit hoffen wir auf eine seriös und in medialer Gelassenheit vorbereitete denkbare Klinikzusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg im Raum Wangen – Lindenberg – Lindau und auf möglichst geringe bürokratische Hürden in dieser Sache. Auf eine Krankenhausreform und eine Einigung zwischen dem Bund und den Ländern zu warten, Herr Landrat, sollte man allem berechtigten Ärger über die politischen Akteure zum Trotz nicht aufgeben. Vielleicht reift auch auf dieser Ebene endlich die Einsicht in den nötigen Zusammenhalt. Abschließend ist es mir an dieser Stelle sehr wichtig, allen unseren Mitarbeitenden in den Kliniken für ihre Arbeit zu danken und zu wünschen, dass sie gerne und mit Freude jeden Tag den hilfesuchenden Menschen an ihren Einsatzorten begegnen dürfen.  

Das jetzt kredenzte „Wasser statt des Weins“ besteht unter anderem, aber eben schon ganz wesentlich aus einer deutlich erhöhten Kreisumlage, von 25,5 % auf jetzt 28,65 %. Uns GRÜNE freut, dass diese Umlage über den ganzen Landkreis, wie es schon der Name ausdrückt, dieses Mal nicht im Vorfeld schon Gegenstand eines Feilschens ist, sondern als unvermeidlich akzeptiert wird, im Landesschnitt stellen wir uns dabei nicht schlecht oder im Bild: „unser Wasser kann zwar auch kein Wein mehr sein, aber besser schmecken als woanders tut es allemal.“

Leider debattieren wir nun schon geraume Zeit darüber, wie es mit unseren Verwaltungsgebäuden, insbesondere mit dem Kreishaus I, weitergehen soll. Unser dortiges Personal nimmt dies sicher stirnrunzelnd wahr, um es freundlich auszudrücken, mancher oder manche denken vielleicht auch darüber nach, sich nach einem moderneren Arbeitsplatz umzusehen. Wollen wir es im Kreishaus I wirklich auf Jahre hinaus, bis in die Dreißigerjahre hinein, auf eine reine „Abwohnstrategie“, begleitet von einer nicht nachvollziehbaren, bürokratisch zelebrierten Hängepartie beim Brandschutz, ankommen lassen? Abgesehen von der miserablen Vorbildwirkung im Blick auf Energieeffizienz und Klimaschutz, die wir dabei in der Öffentlichkeit hinterlassen, ausgerechnet wir, die wir mit dem Leitfaden Nachhaltiges Bauen (LNB) quasi eine erstrangige technische und moralische Vorlage „erfunden“ haben? Wir GRÜNE fordern daher zusammen mit Ihnen, Herr Landrat, spätestens im Herbst 2024, in dann vielleicht weniger aufgeregter Nachwahlkampfzeit, eine konkrete Entscheidung für das Kreishaus I und für die ursprünglich von uns allen anerkannte Konzentration der Verwaltungsstandorte in Ravensburg, um bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen und damit ein lukrativer Arbeitgeber zu bleiben.

Auch der Zustand unserer Schulen lässt uns keine Ruhe. Für die Gewerbliche Schule Ravensburg (GSR) konnten wir uns zum Glück noch im Herbst auf die Freigabe des Architektenwettbewerbs einigen, der binnen Jahresfrist Erkenntnisse in der Art einer Gesamtschau auf dieses Großprojekt bringen soll. An zwei Schulen, der Sanierung der GSR und dem Neubau der Edith-Stein-Schule (ESS), gleichzeitig zu arbeiten, halten wir auch für problematisch, personell im Inneren und nach außen und selbstverständlich auch finanziell. Unverändert gilt für uns Grüne jedoch der Grundsatz „Bildung first“, dem bisher in diesem Haus auch noch niemand widersprochen hat und der in diesem Jahr mit der Fertigstellung der Kreissporthalle in Wangen und der Sanierung der Sportaußenanlagen an der Burachhöhe auch seine Bestätigung findet.

Um wieder zum Bild zurückzukehren: auch uns GRÜNEN mundet Wasser gut, es muss nicht immer Wein sein. Damit trete ich dem immer wieder hervorgekehrten Vorwurf entgegen, wir GRÜNE seien nur gut im Geldausgeben und wüssten viel zu wenig, wo es denn herkommt. Nach der Realisierung des ÖPNV-Plans mit der Versorgung aller großen Linien im Landkreis mit Regio- und Schnellbussen, die auch nach unserem eigenen Augenschein inzwischen ordentlich bis gut wahrgenommen werden, sehen wir klar, dass der teure Einstieg in systematische On-Demand-Verkehre ab 2026 vorerst ein Wunsch bleiben muss, zu finanzieren ist er unter den jetzigen Voraussetzungen offensichtlich nicht. Diese Aussage soll jedoch nicht ausschließen, dass im jetzigen System Verbesserungen vorgenommen werden, z.B. wird weiterhin über die Einbindung von sogenannten „Dörfern“ wie Haslach bei Wangen mit über 1000 Einwohnern und einer wichtigen Behinderteneinrichtung konstruktiv zu reden sein, so lange, bis es eine Lösung gibt.

Ich komme zu den wichtigen Kleinigkeiten, dort möchte ich zunächst ganz viel Dank und gute Wünsche anbringen. Wir freuen uns sehr über Ihre Rückkehr, Herr Baur, in unsere Runde und wünschen Ihnen weiterhin gute Genesung, bleiben oder werden Sie bitte so vital wie wir Sie kennen. Ich danke Ihnen, Frau Steger, für Ihre wertvolle Arbeit in dem umfassenden Amt der Kreisentwicklung, Ihre stilvollen Dankesworte gebe ich Ihnen mit dem Kompliment zu Ihrer Arbeit gerne zurück. Ihrem Nachfolger, Herrn Lötsch, wünschen wir eine gute Ankunft hier im Süden und ein glückliches Händchen bei nicht immer leichten Entscheidungen, seien es einzelne Bauprojekte oder die großen, landschaftsverändernden Maßnahmen für die Erneuerbaren Energien Windkraft und Photovoltaik. Wir danken Ihnen, Herr Dr. Honikel-Günther, für Ihre ruhige, besonnene und kluge Art, mit der sie so wichtige Themen wie die heikle Entwicklung der Hausärztesituation oder den nicht weniger mühsamen Einstieg in die Wohnbauproblematik durch den Landkreis angegangen sind, die zukunftsweisenden ÖPNV-Fragen wissen wir bei Ihnen in kompetenten Händen. Unser Dank gebührt allen Mitgliedern des Verwaltungsvorstandes, Frau Rädler, Herrn Friedel und ganz besonders Ihnen, Frau Kahle, die Sie zusammen mit Herrn Weber und Ihrem Team in für mich bewundernswerter Weise den gesamten Finanzkomplex in Vertretung für Herrn Baur übernommen und gestaltet haben, unser großer Respekt! Sie hatten die unangenehme Aufgabe, in aufwendiger und mühsamer Kleinarbeit bei der Haushaltsaufstellung 8 Mio. € aus den angemeldeten Wünschen, querbeet über die Dezernate verteilt, „herauszuschwitzen“, Sie waren im Gleichnis gewissermaßen der/die Speisemeister*in, die die Nachricht vom zu Ende gegangenen Wein zu überbringen hatte.   

Positiv sehen wir GRÜNEN, dass bei aller Streichung an sehr viele Dinge eben nicht Hand angelegt wurde. Die uns zur Haushaltsstrukturkommission vorgelegte vierseitige Liste von „Themenbereichen, die eventuell für eine Kürzung“ in Frage kommen könnten, umfasst letztlich Freiwilligkeitsleistungen in Höhe von 13,5 Mio. €, selbstverständlich zum Teil mit Erstattungen, die diesen hohen Betrag abmildern. Sollten wir da ernsthaft, und hier geht meine Stimme warnend an CDU und FW mit ihrem gemeinsamen Sparantrag, Punkt 2), 5 Mio. € herausschneiden, so ist unser Landkreis gewissermaßen nicht mehr existent, er verabschiedet sich von seinen Beiträgen zur Kultur, zu Sozialem, zur Willkommenskultur und Integration von Geflüchteten, zur personalen und sachlichen Modernisierung von Arbeitsplätzen, zur Frauenpolitik, zum Tourismus, zur Ökologie, dem Natur- und Artenschutz, kurz, von ihm bleibt nur noch eine graue, langweilige Verwaltungsbehörde, um die man besser einen Bogen macht. Das kann nicht unser Ziel sein und nicht unserem gemeinsamen Verständnis eines bunten, lebendigen Mitspielers, eines Players auf dem Feld öffentlich und politisch sich stellender Aufgaben sein. Daher an dieser Stelle ein Danke an Sie alle in der Verwaltung, dass wir weiterhin Gelder übrig haben für

  • die Weiterführung der kommunalen Pflegekonferenz (0,5 Stellen S 12),
  • den Versuch, die künftige Hausärzteversorgung im Landkreis zu koordinieren (0,5 Stellen EG 9c),
  • die Weiterverfolgung unserer Wohnbauinitiative und die Diskussion konkreter Maßnahmen als Konsequenz der von uns beauftragten Wohnraumanalyse durch das Institut Pestel,
  • die vereinbarten Zuschüsse für den Verein „Frauen und Kinder in Not“ und die Beratungsstelle „Pro Familia“,
  • das konsequente Dranbleiben am Projekt der „Biomusterregion“,
  • die Projektmittel „Biodiversität“, auch unterstützt von unserer Kreissparkasse – dafür ein spezielles Dankeschön -, bei dem ich an die hervorragende Präsentation in der letzten Sitzung des Kreistags in Baienfurt erinnern darf und
  • das ruhige und gelassene Weiterverfolgen aller Gespräche rund um die Idee einer Biosphärenregion Allgäu-Oberschwaben.

Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, aber sie macht klar, was uns GRÜNEN wichtig ist und was für uns einen modernen und innovativen Landkreis ausmacht, allen Finanzproblemen zum Trotz.

Unsere Impulse für die Zukunft spiegeln sich im Wesentlichen in unseren Anträgen zu dieser Haushaltsdebatte wider, sie kosten (fast) nichts, können aber im Atmosphärischen und im Sachlichen manches verbessern. Verbesserungsbedürftig war z.B. die Kommunikation mit unseren Schulleitern im Vorfeld der verordneten Kürzungen ihrer jeweiligen Schulbudgets, also der Gelder, mit denen eine Schule ihren laufenden Betrieb das Jahr über am Leben erhält. Diese sind klar zu unterscheiden von Projekten, Anschaffungen wie etwa Mobiliar oder Investitionen z.B. in die IT-Ausstattung. Die jetzt im Haushalt verankerten Budgetkürzungen, in Summe immerhin gut 420 000 €, sind von der Verwaltung als einmalig deklariert und müssen das bleiben, andernfalls „fahren wir unsere Schulen an die Wand“, machen sie für unsere Schüler*innen unattraktiv und schädigen unseren Ruf als Schulträger. Unsere Schulleitungen verantworten so große Betriebe, dass sie auch künftig die Freiheit haben müssen, vor Ort mit ihren Budgets verantwortlich umzugehen und diese müssen auskömmlich sein. Wir Grüne verzichten mit diesem Appell auf einen förmlichen Antrag zur Korrektur der Budgetstreichungen, bitten aber dringend um einen anderen gegenseitigen Umgang und verweisen auf die Möglichkeit oder das Angebot, Gelder für Schulprojekte, sozusagen das Salz in der Suppe des Schullebens, auch bei der Bürgerstiftung in Ravensburg zu beantragen.    

Ähnlich schwierig verhält es sich mit der Streichung der „Brückenlehrerin“, die an der Geschwister-Scholl-Schule in Leutkirch und an der Edith-Stein-Schule in Ravensburg Migrant*innen ohne Sprachkenntnisse in Einzelbetreuung an die Gepflogenheiten und Arbeitsweisen ihrer jetzigen, für sie neuen Schule heranführt und damit einen wichtigen Beitrag zum Ankommen junger Menschen in unserem Land leistet. Dieses Projekt war bis 2020 durch das Land finanziert, wurde anschließend vom Landkreis als Freiwilligkeitsleistung weitergeführt und dessen Auslaufen auf Ende 2023 war an den Schulen bekannt. Nun arbeiten und planen Schulen aber nicht nach Kalender-, sondern nach Schuljahren, weshalb ein abruptes Ende mitten im Schuljahr für alle Beteiligten nicht sinnvoll ist. Wir beantragen daher die Fortsetzung zumindest bis zum Ende des Schuljahres 2023/24, also bis Juli, die für uns tätige „Brückenlehrerin“ stünde aktuell noch für die Fortsetzung dieser Arbeit zur Verfügung und würde überhaupt in Zeiten händeringender Personalsuche für uns als Arbeitgeber erhalten bleiben. Wir meinen, dies müsste uns die ca. 15000 € für das restliche Schuljahr wert sein, das Geld könnte z.B. aus den Rücklagen von DiPers genommen werden.

Unsere Anträge aus dem Bereich des Ausschusses für Umwelt und Mobilität (AUM) kosten entweder nichts, etwa die Einrichtung einer jährlichen Fahrplankonferenz speziell für unsere Buslinien mit allen davon irgendwie Betroffenen, sie bedeuten eine Umschichtung von den enormen Ausgaben für unsere Kreisstraßen mit ihrem Millioneninvest in Sanierung und teilweisen Neubau hin zum absolut stiefmütterlich weggekommenen Radwegebau einschließlich seiner Konzeptionierung oder sie kosten mit angesetzten 25000 € in Relation nun wirklich nicht viel für innovative Projekte im Bereich Klimaschutz, Klimaanpassung und Erneuerbare Energien. Dieser Themenbereich, eine absolute Herzensangelegenheit von uns Grünen, ist in meiner Rede vor lauter „Geschrei“ um Bürokratieabbau, Digitalisierung und aufgeregten Öffentlichkeiten sehr kurz gekommen, dabei handelt es sich um das einzig entscheidende und ohne unser aktives Zutun nicht zu stoppende Jahrhundertthema. Wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist im Gleichnis, als ob wir vor lauter Eifer darüber, ob unser Glas nun noch Wein oder schon Wasser enthält, nicht bemerken, dass das daneben stehende Fass bereits leer ist.

Mit diesem mahnenden Gedanken möchte ich von unserer Seite schließen, meinen Kollegen Fraktionsvorsitzenden und allen Mitgliedern hier im Kreistag für die stets gute Zusammenarbeit danken, ganz besonders Ihnen, Herr Landrat Sievers, zusammen mit Ihrer Assistenz, Frau Nußbaumer. Und, um noch einmal zum „Luxusgleichnis“ zurückzukehren, klar machen, dass Wunder durchaus möglich sind, allerdings nur, wenn wir selbst mit anpacken, sie geschehen nicht von alleine.

Zum Abschluss noch ein tröstlicher oder heiterer Einwurf: recherchiert man in der Bibel unter den Fußnoten noch weiter, so erfährt man, dass in unserer Geschichte sechs Krüge mit damals jeweils vierzig Litern Wein verwandelt worden sind, mit 240 Litern also sicher eine Menge Wein, die heute Abend für alle Anwesenden hier im Saal ausreichen dürfte.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Es gilt das gesprochene Wort.       

Wangen, den 23.01.2024

Tilman Schauwecker, Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN